Dieses Nähgarn stammt aus einem Kleiderwerk in Oschersleben in der ehemaligen DDR (im heutigen Sachsen-Anhalt).
Thị Vân Anh Đ. arbeitete dort nach ihrem Abitur zwischen 1987 und 1990 als Näherin.
Mit ihr zusammen arbeiteten viele weitere Frauen aus Vietnam in diesem Werk.
Sie wurden von der DDR als so genannte „Vertragsarbeiterinnen“ angeworben.
Ausbeutung statt Ausbildung
In der DDR wurde die Anwerbung von „Arbeitsmigrant*innen“ als solidarische Unterstützung von Menschen aus « sozialistischen Bruderstaaten » dargestellt.
Die „ausländischen Werktätigen“ sollten in der DDR ausgebildet werden, damit sie nach der Rückkehr in ihr Heimatland die dortigen Betriebe mit ihrem neu erworbenen Wissen unterstützen konnten. Genauso wichtig war die Vermittlung „sozialistischer Anschauungen“.
Tatsächlich beschränkte sich die Anwerbung der in der DDR dringend benötigten Arbeitskräfte auf Menschen aus sozialistischen Ländern, beispielsweise Algerien, Angola, Kuba, Mosambik oder Vietnam.
Doch statt eine Weiterqualifizierung zu erhalten, wurden die „Vertragsarbeiter*innen“ vielfach ausgebeutet : Sie verrichteten überwiegend „unqualifizierte“, unattraktive Arbeiten ; die Lebensbedingungen in vollkommen von der Mehrheitsbevölkerung separierten Wohnheimen waren hart. Die Regierung und lokale Kräfte formulierten den bevormundenden Anspruch, die „Vertragsarbeiter*innen“ aus vermeintlich „weniger entwickelten“ Ländern zu « erziehen ». Obwohl die Regierung sich antiimperialistisch gab, folgte sie damit einer kolonialen Logik.
Die meisten Menschen, die als „Vertragsarbeiter*innen“ in die DDR kamen, waren junge Männer. Frauen wurden für vermeintliche „Frauentätigkeiten“ eingesetzt. Näherin war ein verbreiteter Beruf vietnamesischer Arbeiterinnen, die in diesem Rahmen in die DDR kamen. Gerade in der Textilindustrie hatten die Arbeiterinnen mit harten, gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen und – rassistischer und sexistischer – Diskriminierung zu kämpfen.