Es gibt Klischees, die stimmen. Dass Asiat*innen gerne Reis essen zum Beispiel. Und wenn ich sage „Reis“, meine ich Reis aus dem Reiskocher. Als Kind habe ich mich immer gewundert, wenn im Fernsehen Werbung für „Uncle Ben’s Reis“ lief. Dort rieselten die einzelnen Reiskörner stets elegant und in Zeitlupe aus dem „praktischen Kochbeutel“– und die Familie freute sich über so viel Lockerheit.

Ich dachte immer: Wie unrealistisch. DAS ist doch kein Reis. Ich kannte nur unseren Klebereis aus dem dampfenden Reiskocher. Meine koreanischen Eltern dachten nicht daran, Reis im Kochbeutel zu erwerben. Sie kauften lieber 10-Kilo-Säcke. Unter der Spüle stand bei uns immer ein offener Riesen-Eimer mit Reis und ein Becher zum Abfüllen.

Um die richtige Wassermenge in den Reiskocher abzumessen, legte mein Vater seine Hand auf den Reis im Topf. Wenn das Wasser die Finger bedeckte, war es genug Wasser. Ich weiß bis heute nicht, warum meine Eltern nicht einfach die Zahlenskala am Rand des Topfes genutzt haben. Aber meine Mutter kocht bis heute ohne Rezept und immer „nach Augenmaß“.

Als ich Student war, schenkten mir koreanische Freunde einen Reiskocher zum Geburtstag. Sie beschrifteten ihn mit ihren Namen und Sprüchen. Heute habe ich ein neueres Modell, mit praktischer Timer-Funktion. Die aktuellen Top-Modelle können sogar reden und sehen eher aus wie ein futuristischer Motorradhelm. Manche können sich mit dem Internet verbinden und andere werden über App gesteuert. Reis auf höchstem Niveau. Klar, man kann ihn auch im stinknormalen Topf zubereiten, aber das ist nicht dasselbe. Zumindest nicht für mich.

Wenn ich Reis esse, fühle ich mich zu Hause. Er muss im Reiskocher gemacht sein und auf eine bestimmte Weise dampfen, riechen – und vor allem muss er: kleben.

Eingereicht von Frank Joung aus Berlin, September 2020

 

Anmerkung der Redaktion:

Frank Joung, Jahrgang 1976, ist Freier Journalist und Podcaster aus Berlin. 2016 gründete er den Podcast Halbe Katoffl. Dort spricht er mit ‚halben Kartoffeln‘ über deren Lebenswege und Migrationsgeschichte(n). Für den Podcast war er bereits für mehrere Preise nominiert, unter anderem 2018 für den Grimme Online Award. Er arbeitet und lebt mit seiner Familie in Berlin. Mehr Infos zum Podcast Halbe Katoffl: www.halbekatoffl.de