Mein Vater kam Mitte der 1970er Jahre als jugoslawischer Gastarbeiter nach Deutschland. Ich wurde 1978 in Bosnien geboren. Einige Monate nach meiner Geburt folgten meine Mutter und ich meinem Vater nach Deutschland.

Aus meiner Kindheit und Jugend – während der Vorkriegszeit – sind mir unsere jährlichen Sommerurlaube mit dem Auto in die Heimat am besten im Gedächtnis geblieben.

Diese Reisen bedeuteten für mich immer den Übergang vom strukturierten ‚Deutschland-Alltag‘ – Kindergarten, Schule und die Arbeit meiner Eltern – zur ‚bosnischen Freiheit‘. In Bosnien war es ein wenig wie in Astrid Lindgrens Kinderbuchreihe „Wir Kinder aus Bullerbü“. Leben auf einem Bauernhof, viele Tiere, Natur, Kinder, den ganzen Tag draußen spielen ohne die Aufsicht von Erwachsenen, ohne Begrenzungen. Ein Örtchen voller Familie, spontaner Zusammenkünfte (es gibt immer etwas zu feiern) und ohne feste Bettzeiten. Ein Traum!

In dieser Umgebung fühlte ich mich schon damals ein wenig ‚vollkommener‘ als in Deutschland. Das Gefühl ist bis heute geblieben. Sobald ich mich in heimatlichen Gefilden bewege, fühlt sich mein Innerstes etwas vollständiger an. Es ist eine Mischung aus der Lebensart, bestimmten Orten oder Gerüchen, der Sprache und natürlich dem Miteinander der Menschen. Nach wie vor mache ich jedes Jahr in Bosnien Urlaub. Die Reise in die Heimat löst bei mir immer noch Vorfreude und Aufregung aus. Ich fühle mich dann immer wie als Kind, als ich hinten im Auto auf dem Rücksitz zusammengerollt den größten Teil der langen Reise verschlafen habe.

Eingereicht von Silvia aus Berlin, Mai 2020