Freitags einkaufen im türkischen Tante-Emma-Laden war immer einer der Höhepunkte in meiner Kindheit. Es ging gar nicht um die Lebensmittel, sondern um die türkischen Filme, die man dort leihen konnte. Empfehlungen bekam man von den anderen Kunden, die zu jedem Film eine Meinung hatten, wobei das letzte Wort immer bei der Geschäftsinhaberin lag.
Von Filmen mit Kemal Sunal oder Şener Şen konnte ich gar nicht genug bekommen, denn der türkische Humor war und ist für mich immer noch unschlagbar. Es sind die einzigen Filmmomente, bei denen ich jedes Mal Tränen lachen muss. Der türkische Humor funktioniert so: Es geht meistens um einen Underdog, mit dem man bis zum Ende mitleidet und mitfiebert. Man lacht bei diesen Filmen eher mit diesen Figuren und weniger über sie.
Die ausgeliehenen Filme hatten für mich die Funktion, das Land meiner Eltern besser kennen zu lernen. Genau so, wie deutsche Filme diese Funktion für meine Eltern erfüllten. Mit dem Älterwerden kamen neben Komödien noch weitere Genres dazu und eröffneten mir zusätzliche Einblicke in die Türkei.
Die intensive Emotionalität, die diese Filme transportieren, ist für mich immer noch sehr beeindruckend. In Deutschland hat es meiner Ansicht nach Fatih Akın geschafft, dieses Gefühl auch mit seinen Filmen hervorzurufen. Aus diesem Grund bedeuten mir seine Filme sehr viel. Er schafft es bei jedem seiner Filme, das deutsch-türkische Lebensgefühl perfekt einzufangen.
Eingereicht von Dr. Bora Akşen aus Bremen, August 2020
Anmerkung der Redaktion:
Dr. Bora Akşen wurde in Giengen an der Brenz in Baden-Württemberg geboren. Er studierte an der Universität Bremen und an der University of North London die Fächer Anglistik/Amerikanistik sowie Kulturwissenschaft. Seine Promotion schloss er am Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung der Universität Bremen ab. Dr. Bora Akşen arbeitet als wissenschaftlicher Referent für gesellschaftliche Vielfalt am Focke-Museum in Bremen.