11. Mai 2020

Sung Un, könntest du dich bitte kurz vorstellen?

Ich heiße Sung Un Gang und komme aus Seoul, Südkorea. Derzeit arbeite ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Koreanistik und unterrichte koreanische Geschichte an der Uni Bonn. Zugleich schreibe ich an meiner Dissertation im Fach Theater- und Medienkulturwissenschaft an der Uni Köln. Meine Schwerpunkte sind Feminismus, moderne Kulturgeschichte Koreas und Postkolonialismus.

Seit August 2010 lebe ich in Köln mit meinem Partner. Im Dezember 2018 kam Mika, unser Hund, noch dazu.

Seit Beginn meines Studiums laufe ich immer mal wieder bei Demos für Frauenrechte, Menschenrechte und Umweltschutz mit. Fast alle meine Freund*Innen aus Seoul waren aktivistisch. 2019 initiierte ich die Kampagne #Ich_wurde_geHORNBACHt und beendete eine sexistische und rassistische Werbung. Seitdem setze ich mich für mehr Sichtbarkeit der asiatisch-gelesenen Menschen im deutschsprachigen Raum ein. Unter anderem mache ich den Podcast BIN ICH SÜßSAUER? und spreche mit queeren asiatischen Menschen in Deutschland.

 

Wo berührt Migration dein Leben?

In den letzten 15 Jahren habe ich mich mehreren Migrationen unterzogen. Es gab relativ kurze Aufenthalte wegen Studium, Praktikum und Forschung, aber auch den kompletten Wechsel meines Lebensschwerpunkts.

Ich bin 2005 als Austauschstudent zum ersten Mal nach Deutschland gekommen und habe meinen jetzigen Partner kennengelernt. Wir haben fünf Jahre eine Fernbeziehung geführt und jede Chance genutzt, in Seoul, Bonn oder Köln für ein paar Monaten zusammen zu sein. Im September 2010 bin ich dann für das Masterstudium nach Köln und zu meinem Freund gezogen.

Unsere Trauung im November 2013 war ein wichtiger Moment – nicht nur für unsere Beziehung, sondern auch für meine Selbstverständnis. Bis dahin hatte ich immer eine Aufenthaltsgenehmigung für mein Studium, aber seit Anfang 2014 als Ehegatte. Damit habe ich angefangen mich auch als „Migrant“ zu sehen, statt „nur“ als Student aus dem Ausland, der jederzeit wieder zurückkehren könnte.

 

Was macht Deutschland für dich zum #Meinwanderungsland?

Als ich Germanistik studiert habe, war Deutschland für mich das Land der großen Denker*Innen und Schriftsteller*Innen wie Goethe, Thomas Mann, Walter Benjamin und Hannah Arendt. Ich wollte Deutsch lernen und ihre Texte auf Deutsch lesen und verstehen können.

Zugleich konnte ich in Deutschland langsam mein Queer-sein akzeptieren und es auch ausleben. In Südkorea gibt es leider noch keine gleichgeschlechtliche Eheschließung.

Da ich als Ausländer hier kein Wahlrecht hatte, spürte ich immer eine gewisse Distanz zwischen mir und den politischen Ereignissen in Deutschland. Dabei spielte meine Tätigkeit als Deutschlandkorrespondent für ein südkoreanisches Nachrichtenmagazin sicherlich auch eine Rolle, denn ich war stets Beobachter statt Mitgestalter des politischen Diskurses in Deutschland. Da ich nun in Deutschland eine Familie gegründet habe und längerfristig hier leben werde, möchte ich mich auch in die gesellschaftliche Debatte in Deutschland einbringen.

Mittlerweile merke ich, wie das gesellschaftliche Klima sich mit der Popularisierung von rechtsextremen Gedanken verändert hat und welche Wirkung es auf die politische Debatte sowie das Leben der Menschen hat, die wegen ihres Aussehens, Glaubens oder ihrer Herkunft marginalisiert werden. Zwar habe ich immer noch kein Wahlrecht, aber es ist kein Grund, den Dingen nur zuzuschauen. Ganz im Gegenteil: Da mir das Wahlrecht fehlt, verschaffe ich mir Gehör auf einem anderen Weg, sprich Texte, Podcast oder Kampagne. Ich hoffe, dass sich die kommenden Generationen der queeren, nicht-weißen und nicht-christlichen Menschen nicht mehr mit denselben Problemen wie wir auseinandersetzen müssen.